Stundengebet – die Horen.

Von Dekan Pater Bruno Rieder
Benediktinerkloster Disentis

Die Matutin bzw. Vigil

Die Matutin, auch Vigil genannt, ist als das wachende Gebet im Aufgang des Tages die erste Gebetszeit. Sie ist entstanden aus dem gemeinschaftlichen nächtlichen Gebet der Asketen und der frühen Christen, die sich zu Nachtwachen versammelten, um sich auf die Feste wie Ostern und Weihnachten durch Gebet und Hören des Wortes Gottes vorzubereiten. Sie wachten in der Nacht, um Jesus Christus zu erwarten als das aufstrahlende Licht, das neue Leben und die Morgenröte.

Die Matutin wird als Nachtgebet zwischen Mitternacht und dem frühen Morgen gehalten. Ursprünglich also als Nachtgottesdienst durchgeführt, hat sich diese Gebetszeit immer mehr in den frühen Morgen verlagert – nicht mehr als Unterbrechung, sondern als Abbruch des Schlafs in Erwartung des Tagesbeginns.

Bei uns beginnt die Vigil werktags um 5.30 Uhr. Die Sonntagsvigil wird am Samstagabend ab 20 Uhr gefeiert.

Die Vigil beginnt mit dem Eröffnungsvers, dessen erster Teil, «Herr, öffne meine Lippen», vom Vorsänger vorgetragen wird, auf den die Gemeinschaft antwortet: «Damit mein Mund dein Lob verkünde.» Es schliesst sich der Psalm zum Invitatorium an, normalerweise Psalm 95: «Kommt, lasst uns jubeln vor dem Herrn und zujauchzen dem Fels unseres Heiles. Lasst uns mit Lobpreis seinem Angesicht nahen, ihm jubeln mit Liedern! … Kommt! Lasst uns niederfallen, uns vor ihm verneigen, lasst uns niederknien vor dem Herrn, der uns geschaffen. … Wenn ihr doch heute auf seine Stimme hörtet!»

Dann folgen zwei (bzw. an Festen und Sonntagen drei) sogenannte Nokturnen. Jede Nokturn besteht aus (in der Regel) drei Psalmen mit Antiphon und einem anschliessenden Versikel, einem Segensspruch und einer Lesung, die in der ersten Nokturn der Heiligen Schrift entnommen ist.

Die Lesung der zweiten Nokturn stammt aus der geistlichen Literatur, vor allem aus den Schriften der Kirchenväter. Nach den Antwortgesängen (Responsorien) auf die Lesung folgen an Sonn- und Festtagen das Evangelium des Tages und der Lobgesang des Te Deum bzw. Te decet laus. Ein Tagesgebet und ein Segensspruch beschliessen diese Gebetszeit.

Die Laudes

Die Laudes (auch Morgenhore genannt) sind das Morgenlob der Kirche. Sie werden üblicherweise zwischen sechs und acht Uhr morgens gehalten. Bei uns schliessen sie an Werktagen direkt an die Vigil an.

Aus der Stille und Sammlung der Nacht heraus beginnt sie mit dem Vers «O Gott, komm mir zu Hilfe!», der mit der Doxologie «Ehre sei dem Vater» abgeschlossen wird, die von einer tiefen Verbeugung begleitet wird.

Mit dieser Eröffnung versichern sich die Beter des Beistandes Gottes, dass er Herz und Stimme bereite und aufmerksam mache, auf die Worte der Heiligen Schrift und die Stimmen der Mitbeter zu achten. Nach dem Eröffnungsvers folgen vier Psalmen, die meist Morgen- oder Lobpsalmen sind und – wie alle Psalmen des Stundengebetes – mit der Doxologie und Verneigung abgeschlossen werden.

Danach wird eine kurze Lesung vorgetragen, auf die mit einem Psalmwort in Form eines kurzen Antwortgesanges (Responsorium) geantwortet wird. Es folgen der Hymnus, der an normalen Tagen die aufgehende Sonne und das anbrechende Tageslicht besingt, die als Symbole für Christus stehen, und ein neutestamentliches Canticum.

Es schliessen der Kyrie-Ruf und das Vaterunser an. Der Segen, den in der Regel der Obere des Klosters für den anstehenden Tag erteilt, beschliesst diese Gebetszeit.

Die Mittagshore

Im Laufe des Tages soll die Arbeit drei Mal von Gebetszeiten unterbrochen werden; ursprünglich waren das die drei sogenannten kleinen Horen:

  • zur dritten Stunde (etwa 9 Uhr) die Terz
  • zur sechsten Stunde (etwa 12 Uhr) die Sext
  • zur neunten Stunde (etwa 15 Uhr) die Non

 

Bei uns wird die Terz – mit Abschnitten aus Ps 119 – an Werktagen zu Beginn der täglichen heiligen Messe gebetet. Sext und Non werden zur Mittagshore um 11.45 Uhr zusammengefasst.

Die Mittagshore mahnt, in der Mitte des Tages innezuhalten, die Arbeit und die Emotionen des Vormittages ruhen zu lassen und sich auf das Wesentliche zu besinnen. Sie lässt den kühlenden Hauch des Heiligen Geistes in die Seele wehen.

Sie beginnt mit dem Eröffnungsvers «O Gott, komm mir zu Hilfe!», auf den der Hymnus folgt.

Auf den Hymnus folgt ein längerer Psalm oder drei kürzere Psalmen mit Antiphon, eine Kurzlesung mit Responsorium und eine Oration (Gebet). Die Hore schliesst mit einem Segensspruch.

Die Vesper

Die Vesper ist das Abendlob; mit ihr endet die Arbeit des Tages. Gebetet wird sie bei uns um 18 Uhr.

Die Texte und Gesänge wollen der Hoffnung Ausdruck verleihen, auch in Nacht und Finsternis von Christus begleitet zu sein. Sie danken Gott für seinen Beistand und verkünden den Müden Ruhe und Frieden. Die Vesper ist wie die Laudes aufgebaut.

Jeder Sonntag und jedes Hochfest (ausser Ostern) beginnt – ganz nach der jüdischen Tradition – am Vorabend, also am Samstag, mit der sogenannten Ersten Vesper, die schon zur Gebetszeit des jeweiligen Sonntags oder Hochfestes zählt. Die eigentliche Vesper am Sonn- oder Festtag selbst wird dann auch als Zweite Vesper des Tages bezeichnet.

Die Komplet

Die Komplet ist das Nachtgebet und beschliesst als letzte Gebetszeit den Tag.

Sie beginnt mit der Eröffnung «Unser Hilfe ist im Namen des Herrn». Auf die alle antworten: «Der Himmel und Erde erschaffen hat.» Daran schliesst bei uns eine kurze Lesung: ein Text eines geistlichen Schriftstellers, der einen Anstoss zur Besinnung geben will. Es folgt eine kurze Pause des Schweigens, die einer stillen Gewissenserforschung, einem Rückblick auf den vergangenen Tag mit seinen Anforderungen und Mühen, aber auch Erfolgen und Begegnungen Raum gibt. Im nachfolgenden Schuldbekenntnis werden die Fehler und das Versagen des Tages vor Gott gebracht. Dazu verneigen sich alle tief und sprechen gemeinsam das Schuldbekenntnis.

Es folgen die Vergebungsbitte, wechselnde Psalmen mit ihren Antiphonen, eine Kurzlesung, das Responsorium und der Hymnus, der die Ruhe der Nacht besingt und um den Schutz Gottes in der Nacht und um den Segen über das vollbrachte Tagewerk bittet.

Dem Hymnus folgen eine Oration und der Segen für die Nacht. Als Abschluss der Komplet und damit als Abschluss des Tages folgt die Marianische Antiphon, der Gruss an die Gottesmutter Maria, in dem sich die Sänger und Sängerinnen in Gottes liebende Arme bergen, um darin Ruhe und Schutz zu finden. Nach der Komplet gilt im Kloster bis zum Morgen das nächtliche Stillschweigen.

Text nach Nikolaus Nonn, Matthias E. Gahr, «Sieben Mal am Tag singe ich dein Lob. Eine Einführung in das Stundengebet der Mönche.» Vier-Türme-Verlag, 2012, S. 26-41.

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